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Nie mehr Tofubutter, Pflanzenkäse oder Veggie-Cheese – pflanzliche Produkte dürfen keine Bezeichnung führen, die tierischen Ursprungs entspringen

Posted in Allgemein, and Wettbewerbsrecht

Gerichtshof der Europäischen Union PRESSEMITTEILUNG Nr. 63/17

Rein pflanzliche Produkte dürfen grundsätzlich nicht unter Bezeichnungen wie „Milch“, „Rahm“, „Butter“, „Käse“ oder „Joghurt“ vermarktet werden, die das Unionsrecht Produkten tierischen Ursprungs vorbehält. Dies gilt auch, wenn diese Bezeichnungen durch klarstellende oder beschreibende Zusätze ergänzt werden, die auf den pflanzlichen Ursprung des betreffenden Produkts hinweisen.

Es gibt jedoch ein Verzeichnis mit Ausnahmen.

Das deutsche Unternehmen TofuTown erzeugt und vertreibt vegetarische und vegane Lebensmittel. Insbesondere bewirbt und vertreibt es rein pflanzliche Produkte unter den Bezeichnungen „Soyatoo Tofubutter“, „Pflanzenkäse“, „Veggie-Cheese“, „Cream“ und unter anderen ähnlichen Bezeichnungen.

Der Verband Sozialer Wettbewerb, ein deutscher Verein, zu dessen Aufgaben u. a. die Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs gehört, sieht in dieser Art der Absatzförderung einen Verstoß gegen die Unionsvorschriften über die Bezeichnungen von Milch und Milcherzeugnissen.

Er hat daher TofuTown vor dem Landgericht Trier auf Unterlassung verklagt. TofuTown ist dagegen der Auffassung, dass seine Werbung nicht gegen die in Rede stehenden Vorschriften verstoße. Das Verbraucherverständnis in Bezug auf diese Bezeichnungen habe sich in den letzten Jahren massiv verändert. Außerdem verwende das Unternehmen Bezeichnungen wie „Butter“ oder „Cream“ nicht isoliert, sondern nur in Verbindung mit Begriffen, die einen Hinweis auf den pflanzlichen Ursprung der in Rede stehenden Produkte enthielten, etwa „Tofu-Butter“ oder „Rice Spray Cream“. Vor diesem Hintergrund hat das Landgericht den Gerichtshof ersucht, die in Rede stehenden Unionsvorschriften auszulegen. In seinem heutigen Urteil stellt der Gerichtshof fest, dass in Bezug auf die Vermarktung und die Werbung nach den betreffenden Vorschriften die Bezeichnung „Milch“ grundsätzlich allein Milch tierischen Ursprungs vorbehalten ist. Außerdem sind nach diesen Vorschriften – von ausdrücklichen Ausnahmen abgesehen2 – Bezeichnungen wie „Rahm“, „Sahne“ 3 , „Butter“, „Käse“ und „Joghurt“ ausschließlich Milcherzeugnissen, d. h. aus Milch gewonnenen Erzeugnissen, vorbehalten. Der Gerichtshof schließt daraus, dass die vorgenannten Bezeichnungen nicht rechtmäßig verwendet werden können, um ein rein pflanzliches Produkt zu bezeichnen, es sei denn, es ist in dem die Ausnahmen enthaltenden Verzeichnis aufgeführt, was weder bei Soja noch bei Tofu der Fall ist. 1 Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 922/72, (EWG) Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und (EG) Nr. 1234/2007 des Rates (ABl. 2013, L 347, S. 671). 2 Eine Ausnahme gilt etwa für das in französischer Sprache traditionell „crème de riz“ genannte Produkt. Auch darf bei der Bezeichnung eines Erzeugnisses unter bestimmten Voraussetzungen der englische Begriff „cream“ mit einem ergänzenden Zusatz verwendet werden, etwa zur Bezeichnung von alkoholischen Getränken oder von Suppen. Das Verzeichnis der Ausnahmen findet sich im Beschluss 2010/791/EU der Kommission vom 20. Dezember 2010 zur Festlegung des Verzeichnisses der Erzeugnisse gemäß Anhang XII Abschnitt III Nummer 1 Unterabsatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 des Rates (ABl. 2010, L 336, S. 55). 3 D. h. Schlagrahm oder Schlagsahne. www.curia.europa.eu Die Verwendung klarstellender oder beschreibender Zusätze, wie die von TofuTown verwendeten, die auf den pflanzlichen Ursprung des betreffenden Produkts hinweisen, hat keine Auswirkungen auf dieses Verbot. Diese Auslegung der in Rede stehenden Vorschriften verstößt weder gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung. In Bezug auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit weist der Gerichtshof u. a. darauf hin, dass durch klarstellende oder beschreibende Zusätze eine Verwechslungsgefahr in der Vorstellung des Verbrauchers nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Zum Grundsatz der Gleichbehandlung stellt der Gerichtshof fest, dass TofuTown sich nicht auf eine Ungleichbehandlung berufen und geltend machen kann, dass die Erzeuger vegetarischer oder veganer Fleisch- oder Fisch-Alternativprodukte in Bezug auf die Verwendung von Verkaufsbezeichnungen keinen Beschränkungen unterliegen, die denen vergleichbar wären, die von den Erzeugern vegetarischer oder veganer Alternativprodukte für Milch oder Milcherzeugnisse zu beachten sind. Denn es handelt sich dabei um ungleiche Erzeugnisse, die verschiedenen Vorschriften unterliegen.

Gerichtshof der Europäischen Union PRESSEMITTEILUNG Nr. 63/17

Luxemburg, den 14. Juni 2017

Urteil in der Rechtssache C-422/16

Verband Sozialer Wettbewerb e. V. / TofuTown.com GmbH

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